Das letzte Einhorn

NAME:
Das allerletzte - aber wirklich das allerletzte - Einhorn

BÜRGERLICHER NAME:
Michael Robert Rhein

INSTRUMENT:
Cyster, Gesang

WOHNORT:
Im Rheinland / wenn Zeit in Kroatien

MITGLIED BEI IN EXTREMO SEIT:
1995

LIEBLINGSALBUM VON IN EXTREMO:
Alle, denn jedes hat seine absolute Berechtigung

LIEBLINGS LIVE-SONG VON IN EXTREMO:
Viele! Kann mich nicht entscheiden, hier mal fünf: Gaukler, Aufs Leben, Mein Rasend Herz, Die Gier, Frei zu sein und viele andere …

BESTE SHOW MIT IN EXTREMO:
Ich genieße jedes Konzert. Was mir absolut in Erinnerung bleibt, ist die geniale Festival-Tour 2014!

ZUKUNFTSWUNSCH FÜR IN EXTREMO:
Gesundheit und weiterhin mit allen Spaß haben! Wir 7 haben noch viel vor, denn die Welt ist groß und bunt!

IN EXTREMO sind viel in Übersee unterwegs – und ich habe obendrein Flugangst. Wir haben in Ekaterinburg gespielt und mussten dann nach Jaroslav. Also sind wir nach Moskau geflogen, und das war ein sehr wackeliger Flug. Hundert Meter vor dem Aufsetzen – es waren ja nur noch ein paar Sekunden – ist der Flieger plötzlich durchgestartet und zwar steil nach oben. Da merkst du erstmal, was so ein Flugzeug an Power hat! Ganz viele Leute haben gekotzt gejammert und ich habe mich zu den Stewardessen umgedreht, weil ich hinten saß. Wenn sogar die Stewardessen nervös werden, hast du ein Problem. Dann ist das Ding zwanzig Minuten in den Wolken rumgeflogen, hat gedreht, und es wackelte immer weiter. Er ging wieder runter zur Landung – dasselbe Spiel von vorne. Der Wind war so stark, dass wir garantiert abgeschmiert wären, wenn der Pilot weitergeflogen wäre. Doch ich war komischerweise ruhig und zum Glück drehte er wieder rein und ist dann von der anderen Seite gelandet. Ich habe drei Kreuze geschlagen, als wir wieder unten waren. Ich habe gedacht, das war`s. Wir sind dann ausgestiegen und da gab es die erste Bierbude nach der Gepäckabholung. Da sind wir natürlich erstmal eine halbe Stunde stehen geblieben und der Ein oder Andere weiß schon gar nicht mehr, wie er in den Nightliner gekommen ist. Anschließend sind wir nach Jaroslav gefahren und haben erstmal das neue Leben begossen.

Und das war nicht das erste Mal. Vor ein paar Jahren haben wir in Malaga gespielt und die Band ist von Berlin aus geflogen. Ich kam aus Köln und unsere Flüge gingen beide über Mallorca. Also haben wir uns dort getroffen. Mein Flieger hat so gewckelt, dass die Leute geschrien haben. Männer haben vor Angst geflennt. Ich war wieder ruhig und habe mir eine Zigarette angemacht. Durch das schaukelnde Flugzeug kam die Stewardess an: „Machen Sie die Zigarette aus!“ Ich habe ganz ruhig gesagt: „Halt einfach Deine Schnauze.“ Mehr nicht. Als wir endlich gelandet waren, habe ich mich natürlich bei ihr entschuldigt, und sie hat nur abgewinkt – die hatten selber alle Schiss. Ich bin zur Information und habe gefragt: „Wie komme ich von dieser verdammten Insel runter, ohne einen Flieger zu nehmen?“ – „Dafür gehen Sie mal oben auf den Aussichtsturm. Gucken Sie mal nach der Windstärke, wir haben ungefähr zehn Meter hohe Wellen. Viel Spaß.“ Dann kam der Flieger von der Band rein, so ungefähr dasselbe in Grün. Wir nahmen den letzten Flieger, der rausging. Kaum waren wir aber durch die Wolken, war alles ganz sanft, und wir sind in Malaga gelandet. Und wenn dann doch mal was passieren sollte, sind wir wenigstens alle weg.

Bin ich nicht mit der Band unterwegs, verbringe ich fast jede freie Minute in Kroatien, weil ich dort ein kleines Häuschen habe, ein altes Fischerboot, und mein allerallerbester Freund lebt auch dort. In dem Dorf, in dem ich lebe, bin ich inzwischen als Einheimischer akzeptiert. Kroatien ist nah: mit dem Flieger brauche ich von Haustür zu Haustür genau drei Stunden. „Frei zu sein bedarf es wenig“– und so ticke ich auch. Ich brauche ein großes Auto, denn ich muss immer beweglich sein und ich brauche das Meer und einen anständigen Fisch dazu. Und morgens ein Spiegelei – dann bin ich glücklich. Ich feiere auch sehr gern und treibe mich manchmal rum. Aber wenn ich zuhause bin, habe ich noch nicht mal ein Bier im Kühlschrank. Ich mache dann völlig einen auf ruhig. In Kroatien ist es so: wenn ich runterkomme, dann feiert man erstmal mit Freunden, die man lange nicht gesehen hat. Das endet dann auch manchmal böse. Aber ich bin am Meer, und das bringt mir Kraft und Ruhe. Ich habe das Glück, dass mein bester Freund von Beruf Fischer ist, und wenn es sich ergibt, fahre ich mit ihm raus. Du stichst mit so einem 20-Meter-Fischpott raus in die See und siehst kein Land mehr. Du schläfst dann auch in dem Boot auf hoher See und alle vier Stunden wird das Netz ausgeworfen oder eingeholt. Das ist harte Arbeit, doch dabei lade ich meine Batterien auf. Da reichen mir manchmal zwei Tage für.

Aber letzten Endes rufen wir uns untereinander nach zwei Wochen schon wieder an. Wir verbringen 150 Tage im Jahr zusammen. Die Band ist wie ein altes Ehepaar, ein großer Kindergarten, eine große Spielwiese. Ab und zu braucht man natürlich Abstand zueinander und den nehmen wir uns auch. Aber trotzdem haben wir immer wieder Kontakt. Warum das so ist, weiß ich auch nicht, aber ich finde es einfach schön. 1980 hatte ich meine erste Band, und dieses Jahr feiere ich mein 35-jähriges Bühnenjubiläum. Unglaublich, oder? Es hat sich nichts geändert. Wenn ich dieses Gefühl nicht mehr hätte, diesen Antrieb oder diesen Freigeist oder – sagen wir mal – diese Straßenköterallüren, würde ich zu Hause bleiben. Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, nehme auf jeder Reise was mit und bleibe nicht einfach stumpf im Hotel liegen. Ich suche den Ort, wo das Leben brodelt. Wo das Leben sich abspielt.