Dr. Pymonte

NAME:
Py

BÜRGERLICHER NAME:
André Strugala

INSTRUMENT:
Harfe / Pommer

WOHNORT:
Insel Rügen

MITGLIED BEI IN EXTREMO SEIT:
1996

LIEBLINGSALBUM VON IN EXTREMO:
Mein Rasend Herz

LIEBLINGS LIVE-SONG VON IN EXTREMO:
Hol die Sterne

BESTE SHOW MIT IN EXTREMO:
Russlandshows

ZUKUNFTSWUNSCH FÜR IN EXTREMO:
Konzert/e auf Island

WRRRRRRRRRRRRUUUUUUUMMM! Du sagst gerade einen wichtigen Satz, und dann geht das so wrrrrrrrrrrrrruuuuuuummm! Mit den Anderen muss ich grenzenlos diesen Krach ertragen. Wir sind zwar mit einer Rockband unterwegs – aber wir sind die Leute, die die Ethno-Instrumente spielen. Harfe, Flöte, solche Geschichten, und die werden grundsätzlich erstmal nicht verstärkt gespielt. Schlagzeug und Gitarre werden dann manchmal derartig unsensibel laut, dass du ihnen an die Gurgel springen und den Hals umdrehen möchtest. Du denkst: kapieren die im Proberaum nicht, dass du auch mal deine Ruhe haben willst? Aber der Krach fetzt rein. Die Anderen leben dann völlig in ihrer Welt. Das sind Sachen, auf die man sich einlassen muss und ich sage mir dann immer: OK, das ist jetzt Bestandteil unserer Musik, das gehört eben auch zum Proben. Aber innerlich macht mich dieser Lärm völlig aggressiv. Können wir nicht mal irgendeine Form finden, in der wir auch normal miteinander reden können? Die hauen dann in die Gitarren rein und du bist gerade in irgendeinem Dialog, möchtest dich mit wem unterhalten – nicht möglich. Das ist mir eben fremd. Das muss ich lernen, da muss ich durch, das muss ich irgendwie akzeptieren. Vielleicht ist das nichts Weltbewegendes, aber es bringt mich total auf den Ast.

Ich bin sehr ländlich groß geworden, und als ich Michael Robert Rhein kennengelernt habe und es mit In Extremo losging, war das für mich eine ganz schön konträre Geschichte. Mir ist die Kinnlade runtergefallen, als ich Micha zum ersten Mal traf. Er hat mich ja quasi vom Dorf abgeholt – und stand da wie so ein Texas- Cowboy. „Py, pass auf, wir müssen ne Band gründen!“, so nach dem Motto. Ich war völlig verpennt und hatte mit meinen Schafen zu tun und war eigentlich sehr glücklich in meinem Mikrokosmos. Und dann kam da dieser Außerirdische mit seinen langen Haaren und hat mich vollgelabert. Typischer Ami-Schlitten, Zichte in Brand, große Fresse. Das hat mir irgendwo gefallen und imponiert. Er hat mich dann in die Stadt mitgenommen und dann ging`s da richtig rund! Meine erste Impression war ja: der und ich – niemals. Keine Woche halten wir das aus, ohne uns den Schädel einzuschlagen. Wir sind eigentlich grundverschieden, aber ich habe ihn lieben gelernt. Er ist eine Mischung aus Ganovenkönig und Zuhälter. Wo der Typ war, war immer Geld. Ich war bettelarm und hatte nichts. Um es noch mehr auf den Punkt zu bringen: ich habe dann Michas Eltern kennengelernt, und seine Mutter meinte: „André, Du kannst es Dir nicht vorstellen, mit dem Micha haben wir so viel Ärger gehabt im Leben – aber Geld hat er immer gehabt!“ Er hat ein Gespür fürs Leben, das seinesgleichen sucht. Das hat mich mit auf den Weg gebracht. Du gehörst zu In Extremo und hast dich auch so zu benehmen. Ich habe dann schon gestaunt, was wir zu dritt oder viert für einen Aufriss auf den Mittelaltermärkten gemacht haben.

Er ist ja ein liebenswürdiger Mensch, aber er ist auch nicht unanstrengend. Als wir zusammen in der Stadt gewohnt haben, war das wirklich Sodom und Gomorrha. Es war immer Betrieb, es war immer Action. Versuchst du dich hinzulegen, kommt Micha nach Hause und hat irgendwelche Ideen, über die er mit dir reden muss – das war zu den unmöglichsten Zeiten und Party war dann auch immer im Spiel. Nach zwei Jahren habe ich gemerkt, dass das nicht das Leben ist, das ich suche. Ich habe wirklich versucht, in der Stadt zu leben, aber das geht nicht. Es wäre völlig gegen die Wand gelaufen, und ich musste dann wirklich wieder zurück an die Ostsee, wo ich groß geworden bin. Das ist für mich einfach immens wichtig: einen Kontrapunkt zu haben, wenn ich von den ganzen Konzerten nach Hause komme. Nach so einem Wochenende fühle ich mich abgefuckt, und dann komme ich zurück auf meine Insel, auf der ich drum herum nicht einmal Nachbarschaft habe. Ich bin dann viel auf der Jagd, schnalle mir meine Kanone um und setze mich in den Wald – da muss ich mit keinem Menschen reden. Die Band kaut einem ja immer ein Ohr ab. Das ist einfach schön: lauschen, was dir die Natur erzählt. Das habe ich von klein auf schon so gemacht.

Ich habe aber festgestellt: ganz ohne geht es auch nicht. Wenn man jetzt sagt, ich wäre nur ein Einsiedler, der Robinson- Typ, ist das totaler Schwachsinn. War ich ein paar Wochen am Stück auf der Insel, merke ich auch wieder, wie es mir in den Pfoten kribbelt. Dann will ich wieder zurück zu dieser verrückten Familie und brauche das ganze Gequatsche. Ich brauche beide Seiten. Du musst wirklich einen Kopfsprung in die Großstadt machen, in den Nightliner hüpfen. Dann freust du dich schon auf die Ersten, die du am ersten Abend wiedertriffst, mit denen du in die Kneipe gehst und ordentlich einen hebst oder gar eine ganze Nacht durchfeierst. Vielleicht bin ich nicht so der Kneipengänger wie meine Kollegen, aber trotzdem ist das alles unwahrscheinlich wichtig für mich: wieder diese Menschen zu inhalieren, die zu meiner Familie geworden sind. Es ist ein Teil von mir selbst.