Flex der Biegsame

NAME:
Flex der Biegsame

BÜRGERLICHER NAME:
Marco Zorzytzky

INSTRUMENT:
Dudelsack, Drehleier

WOHNORT:
Wandlitz

MITGLIED BEI IN EXTREMO SEIT:
1995

LIEBLINGSALBUM VON IN EXTREMO:
Die Verrückten sind in der Stadt

LIEBLINGS LIVE-SONG VON IN EXTREMO:
Alle! Liam, Albtraum

BESTE SHOW MIT IN EXTREMO:
Rock im Hinterfeld

ZUKUNFTSWUNSCH FÜR IN EXTREMO:
Spielen, spielen, spielen - solange es uns Spaß macht!

VOR EINIGEN JAHREN habe ich mit einem neuen Instrument angefangen, einer Uilleann Pipes. „Uilleann“ ist Gälisch für Ellenbogen. Damit mache ich irische Musik, was für mich eine große Herausforderung war und auch jedes Mal auf der Bühne noch ist: sei es „Liam“oder„ Gold“ – wir haben ja ein paar Songs, die ich mit der Uileann Pipes spiele. Die ist doch etwas schwerer zu händeln als unsere altdeutschen Sackpfeifen oder ein Schotten-Dudelsack, hat viele Klappen, und wird nicht mit dem Mund, sondern einem Extra-Blasebalg aufgeblasen. Die Technik und Spielweise sind anders, und man muss schon sehr viel üben. Es gibt ein irisches Sprichwort, das besagt, man braucht 21 Jahre, um das Instrument zu lernen. Ich hoffe, dass meine Jahre mit den anderen Dudelsäcken angerechnet werden, sonst habe ich bestimmt noch 12 Jahre vor mir.

Ich war mal mit einem Freund in Irland und natürlich waren wir in einem Pub. Ein bisschen Tin Whistle habe ich damals schon gespielt, und ich hatte eine auf die Reise mitgenommen – überheblich, wie man eben ist. Ich habe gleich versucht, mich an der Session dort zu beteiligen, was beim ersten Mal nicht so funktioniert hat, denn das Tempo auf der grünen Insel ist doch ein anderes. Auch bei irischen Sessions gibt es Regeln: man sollte nur mitspielen, wenn man sich auch sicher ist, dass man das kann. War aber kein Problem, ich habe dann den anderen zugehört und war sehr begeistert, dass die Iren die Folklore im Gesetz verankert haben. Das heißt: in jedem Pub, in jedem Hotel in Irland gibt es eine Bühne. Wenn du mit einem Instrument ankommst – sei es ein Banjo, eine Geige, Flöte, Gitarre – lassen dich die Leute einfach spielen. Das habe ich die letzten Male immer gemacht, wenn ich mit Freunden durch Irland gezogen bin: gegen Abend sind wir in einen Pub eingekehrt, haben gefragt, ob wir spielen dürfen, und der Wirt kommt natürlich sofort mit vier Guinness an. Gary, der Sänger, kommt direkt aus Dublin, hat natürlich den Slang drauf und hat uns als Lokalband verkauft. Dann fangen die Leute an, zu unserer Musik zu tanzen, freuen sich, trinken höchstwahrscheinlich noch einen Whiskey oder ein Pint und tanzen noch mehr.

Ich habe noch eine Irish-Folk-Band hier im Berliner Raum, und wir spielen mal vor 40, mal vor 70 Leuten. Komischerweise bin ich da aufgeregter als bei einem In Extremo-Konzert. Das heißt nicht, dass ich nicht aufgeregt bin, wenn 5000 Leute vor der Bühne stehen, aber bei 70 Leuten ist alles viel persönlicher, die Leute gucken einem quasi auf die Finger. Das macht umgekehrt auch wieder den Reiz aus.

Ich habe lange gebraucht, um das Verständnis aufzubringen, wie Rockmusik gemacht wird. Damals, als Basti zu uns stieß, kam ich mit meinen traditionellen Melodien an und er stutzte sie dann weitestgehend ein. Ich habe natürlich einen riesigen Kamm gekriegt wie ein Hahn und gekräht: „Das könnt ihr doch nicht machen, das ist doch nicht original!“ Damals habe ich wirklich erbittert gekämpft und diskutiert, bis ich nach langer Zeit kapiert hatte, wie das Rock-System aussieht. Basti kam zu mir und meinte: „So viel Melodie geht in dem Moment gar nicht.“ Man will ja auch den Text übermitteln, Groove haben. Und das musste ich erstmal verstehen. Rockmusik ist schnelllebiger, und da liegt die Würze in der Kürze. Die Kollegen mussten mich schon gut überzeugen, dass ich von meinem Traditionellen auch mal ein Stück abweiche. In unserer Bandgeschichte war das einer der schwersten Schritte das im Kopf umzusetzen, weil ich eben ein Folkie bin, der auch gerne nochmal die Melodie spielt. Und nochmal. Wo ist Musik spannend und wo wird sie langweilig? Inzwischen sind meine Hooklines doch etwas kürzer.

Doch nicht nur ich setze mich damit auseinander, wie Rockmusik funktioniert – Basti beispielsweise setzt sich auch damit auseinander, wie Dudelsackmusik funktioniert. „Frei zu sein“ ist so eine Hookline, und die ist einfach super gelungen. Als ich die zum ersten Mal gehört habe, dachte ich: warum stammt das nicht aus meiner Feder?

Ganz am Anfang, als die Rockformation sich zu uns gesellt hat, bin ich zu Kay gegangen und habe ihn gefragt: „Sag mal, wie lange hält denn überhaupt so eine Rockband?“ Und Kay meinte: „Naja, wenn es gut läuft, fünf Jahre.“ Von daher haben wir es eigentlich ganz gut gemeistert, würde ich sagen. Jeder auf der Welt beschäftigt sich mit der Endlichkeit von Themen, und manchmal bemerkt man mit einem weinenden Auge: mein Gott, das Ding läuft schon 20 Jahre! Wie lange geht das noch? Die Antwort ist: So lange wir Spaß an der Sache haben, so lange wir Lust auf die Musik haben, wird es uns wohl geben...Sláinte!