Die Typen von Jackass wieder unterwegs

02 Feb 2012   Kay Lutter

Sonntag, 22.Januar: Mitten in der Nacht, genauer gesagt am Sonntagfrüh um 4:00 Uhr klingelte mein Wecker. Meine Herren, die Flasche Wein kurz vor Mitternacht hätte wirklich nicht mehr sein müssen, aber aus Angst in den paar verbleibenden Stunden kein Auge zumachen zu können, war es wie Medizin - Medizin, die nicht wirkt. Nein, nicht einmal der Placebo-Effekt stellte sich ein, weshalb ich zehn Minuten vor dem Weckerklingeln bereits hinunter in die Küche trabte und mir die üblichen zwei großen Tassen Kaffee zum Wachwerden in Rekordzeit hinter die Binde goss. Dann kurz unter die Dusche, die gepackten Sachen im Kopf noch einmal durchgehen und dann standen auch schon Marco und Boris vor der Tür. Mit einem sehr mitteilungsbedürftigen Taxifahrer ging es wenig später zum Flughafen Tegel. Wir waren die ersten - leider!

Mit der Air France sollte es dieses Mal wieder über den großen Teich gehen, ausgerechnet mit denen, denn wir erinnerten uns mit Grauen an die letzten Flüge mit dieser Fluggesellschaft. Auf unserer letzten Tour nach Mexiko ließen sie sich auf dem Hinflug jedes überzählige Milligramm an Gepäck bezahlen und verwiesen auf ihre neueste gewerkschaftliche Errungenschaft, dass mehr als 32 kg pro Flughafenpersonal nicht mehr bewegt werden durften. Auf dem Rückflug von Buenos Aires ließen sie uns gleich ganz stehen, bis wir Pymontes Harfe dann doch für schlappe 2000 Euro per Luftfracht aufgaben. Doch die Zeiten ändern sich und dieses Mal wurde freundlich durchgewunken und unser Übergepäck für einen geradezu lächerlichen Obolus befördert. Viva la France! Ihr habt was dazu gelernt!
Schon in Tegel entdeckten wir die ersten beiden In Extremo-Fans, die auch in Richtung Metal Cruise nach Miami unterwegs waren, doch sie waren (noch) zu schüchtern, um uns anzusprechen. Beim Umsteigen in Paris konnte man jedoch schon deutlich sehen, wer dasselbe Ziel hatte wie wir. Wenig später ging es dann auch schon in die Maschine in Richtung USA, doch natürlich nicht ohne nochmaliges umständliches Procedere beim Durchleuchten unseres Gepäcks. Doktor Pymonte hatte die Aufgabe übernommen unseren HD-Rekorder mitsamt dem Band-Laptop zu transportieren, der natürlich von der Pyrotechnik auf unseren Konzerten noch dermaßen nach Schwarzpulver roch, dass selbst der Drogenhund seine Nase verzog. Doch der Herr Doktor klärte die Sache mehr als souverän und konnte das Personal überzeugen, das wir keineswegs vorhatten das Flugzeug zu entführen, sondern in Miami bei den "70000 Tons of Metal" etwas Spaß haben wollten.

Miami erwartete uns dann 9 Stunden später mit geradezu zärtlichen 27 Grad Celsius, so dass wir auch einen kurzen Schauer verzeihen konnten. In Berlin bewegte sich die Temperatur schließlich seit Wochen nur knapp oberhalb des Gefrierpunktes, es regnete ohne Unterlass und die Sonne hatte sich seit Weihnachten nur für Sekunden sehen lassen. Wer wollte da meckern?
Unser Tourbegleiter Dirk hatte uns in weiser Voraussicht ein Hotel direkt in Miami Beach gebucht, das "Indian Creek" lag nur wenige Minuten vom Strand entfernt. Doch nach dem Einchecken enterte die ganze Crew - dieses Mal reisen wir zu zwölft, neben den Bandmitgliedern noch Tonmann Vadder, Monitormann Dirk Burke, Tourbegleiter Dirk Verseck, unser Bühnenchef Micha Wegewitz und Kameramann Sebastian, der für die kommende DVD eine Reportage dreht - erst einmal eine Sportbar in der City, die amerikanische Burger gigantischen Ausmaßes im Angebot hatte. Die Stimmung dort war kolossal, denn es spielten gerade die San Francisco 49ers gegen New York und das Spiel wurde selbstredend auf mindestens 10 riesigen Bildschirmen gezeigt. Auch wenn sich uns als Fußballfreunde der Sinn dieses Spiels nicht ganz erschloss, war es dennoch nett anzusehen, wie begeistert die Amis mitfieberten. Auf dem Heimweg ins Hotel versorgten wir uns noch mit etwas Bier und Wein, doch der Jetlag forderte seinen Tribut und wir verbrachten nur noch eine halbe Stunde am Pool, bevor es dann artig ins Bett ging.

Montag, 23.Januar: Am Montagmorgen nutzten wir die Gelegenheit Miami Beach zumindest ein wenig zu erkunden, denn unser Shuttle zum Schiff holte uns erst am Mittag ab. Der kubanische Fahrer ahnte wohl, dass er eine ganz besondere Bande an Bord seines Busses haben musste, denn die vielen In Extremo-Aufkleber ließen nur den einen Schluss zu: "Are you the guys from Jackass?" Nach einer Stunde im Stau kamen wir schließlich am Hafen an. Von nun an war die vorherrschende Farbe der nächsten Tage eindeutig Schwarz, denn 2000 Metalheads und 400 Musiker und ihre Crewmitglieder warteten auf den Check in, dazu kamen noch knapp 800 Leute Personal. Die "Majesty Of The Seas" war schon ein beeindruckendes Schiff, besonders vom Hafen aus. Der Check in war amerikanisch ausführlich, aber nach etwa 2 Stunden hatten wir es schließlich an Bord geschafft. Beim Öffnen der Kabinentüren gab es dann die ersten lautstarken Lacher quer über den gesamten Flur, denn uns erwartete eine Art Ehebett, welches mit einer einzigen Decke bezogen war.

Wir waren auf dem 7. Deck untergebracht, auf dem eine halbe Stunde später auch der Sicherheitscheck stattfand, der Dank der trinkfreudigen Metaller aus 53 Nationen in eine großartige Party ausartete. Sämtliche Mitreisenden, ob Bands oder Fans, wurden in Gruppen aufgeteilt, die sich vor den jeweiligen Rettungsbooten einzufinden. Wir hätten im Falle des Untergangs zusammen mit "Grave Digger" im Boot gesessen, was uns einigermaßen beruhigte, da das mit Sicherheit für Spaß gesorgt hätte, zudem unser Kapitän kein Italiener gewesen ist. "Frauen und Musiker zuerst!" hieß unsere Devise für den Notfall! So einen Sicherheitscheck hatte die Schiffsbesatzung mit Sicherheit noch nicht erlebt, denn jede Anweisung, die über die Lautsprecher kam, ging in "Master! Master"-Rufen und lautstarkem Gegröle unter. Den Massen an Bierdosen zufolge waren es wohl nicht wenige, die schon Sekunden nach dem Check in den in den nächsten 5 Tagen wohl wichtigsten Ort des Schiffes bereits gefunden und auch schon mächtig zugelangt hatten: Die Bar auf dem Oberdeck.

Die Bar auf dem Sonnendeck war wenig später natürlich schon brechend gefüllt und dass bei der zweiten Metal Cruise das Bier ausgehen sollte wie auf der ersten Tour, stand dieses Mal nicht zu befürchten. Wer sich nicht an die Bar selbst bequemen wollte, um die 1,45 Dollar Servicegebühr zu sparen, wurde von den Kellnern auf den Decks regelrecht verfolgt. "You drink! We drive!" wurde zum geflügelten Wort und das Ganze erinnerte ein wenig an die Hartnäckigkeit afrikanischer Sonnenbrillenverkäufer an den Stränden von Italien und Portugal. Die Getränkepreise waren nicht gerade auf Aldi-Niveau - ein großes Fosters wanderte beispielweise für 8,55 Dollar über den Tresen, ein Wodka für 8,34 Dollar und ein Plastikbecher Wein für gepflegte 9,00 Dollar, aber es wurde zugelangt, als wenn die Prohibition vor der Tür stünde. Bezahlt wurde natürlich nicht cash, sondern mit der Bordkarte, was am Ende der Tour dem einen oder anderen Feierwütigen bei einem Blick auf die Kreditkartenabrechnung die Tränen in die Augen trieb.
Wir genossen die lange Ausfahrt aus dem Hafen von Miami, holten uns die erste Portion Sonnenbrand ab und stießen auf den Sonnenuntergang an. Den ersten Abend beschlossen wir mit einem Bandausflug zu unserer deutschen Rettungsbootbesatzung von "Grave Digger", welche die Metal Cruise im großen Saal eröffneten. Danach warteten wir auf den Auftritt von "Overkill", der auf der Pool Stage stattfinden sollte. Leider wurde er verschoben, weil die Crew mit dem Aufbau im Verzug lag. Bei der ersten Cruise stand schließlich ein 6-Tonnen-Kran am Hafen, der die Anlage auf das Schiff hieven sollte, dieses Mal war nur ein 1,5 Tonnen-Kran im Angebot, der natürlich vorn und hinten nicht ausreichte. Aber klar, wo sonst nur ein Haufen Rentner versorgt wurde, ging es hier wirklich ans Eingemachte und das war für niemanden das ganz alltägliche Programm. "In Extremo" lümmelten also weiter an Deck herum und warteten auf den Strauß bunter Melodien, der wenig später von "Cannibal Corpse" überreicht werden sollte - aber auch die ließen auf sich warten. Der Rest der Nacht ging in Gerüchten unter, doch den zerknitterten Gesichtern der Kollegen am nächsten Morgen zufolge, wurde wohl noch etwas ausgiebiger gefeiert.

Insgesamt gab es vier verschiedene Bühnen an Bord, das große "Chorus Line Theatre" als Hauptbühne, das "Pool Deck", die kleine "Spectrum Lounge" und die "Boleros Lounge", in der jeden Tag nach Mitternacht Metal Karaoke zelebriert wurde, zwei Dinge, die durchaus zusammen passten und zumindest für einen hohen Unterhaltungswert sorgten. Jede Band hatte eine Spielzeit von je 60 Minuten und spielte an je zwei verschiedenen Orten. Da "In Extremo" wie immer vom Glück verfolgt wurde, fand unser erstes Konzert im Theater und das zweite auf dem Pool Deck statt, wobei sich ziemlich schnell herausstellte, dass das Pool Deck die coolste aller Bühnen war. Hier konnte man, wenn einem nicht allzu viele Metaller die Sicht nahmen, die Konzerte direkt aus dem Pool beobachten oder eine Etage darüber an der Reling lümmeln und die Sonne genießen. Sehr beliebt - insbesondere natürlich bei den Herren Musikanten - war die Reling direkt hinter der Bühne, von der aus man das Geschehen mit Kennerblick und Schirmchendrink in der Hand, verfolgen konnte. Praktischerweise hatte man dazu auch die Bar direkt im Rücken und musste sich bei einer Bestellung kaum vom Platz bewegen. Die Pool Stage war ganz klar der Favorit aller (ewig durstigen) Mitwirkenden!

Dienstag, 24.Januar: Das Frühstück am nächsten Morgen fand unter erschwerten Bedingungen statt, die an Gefechtsfeldbeschallung erinnerten. Die Trompeten von Jericho müssen ein Scheißdreck dagegen gewesen sein, denn mein Rührei hatte unter dem Doublebass-Gewitter erhebliche Schwierigkeiten auf dem Teller zu bleiben. Der vorwiegend schwarzen und asiatischen Küchenbesatzung sah man an, dass sie mit der Musik auf diesem Trip so ihre Schwierigkeiten hatte, doch sie nahmen es gelassen und lachten. Es blieb ihnen auch nichts weiter übrig, denn flüchten konnte man von hier sowieso nicht. Irgendwann beim Mittag schallte uns aus der Küche lautstark Protest in Form von Bee Gees "Nightfever"-Kastatengesang entgegen, der sich jedoch durchaus wohlwollend in das gerade laufende Grindcore-Geballere irgendwelcher Norweger einbettete. Doch in der Kabine war es erstaunlicherweise ruhig und man bekam kaum mit, dass man sich an Bord eines Schiffes befand. Von Weitem konnte man nach einigen Stunden die kubanische Küste erkennen und hatte sogar kubanisch-sozialistischen Handyempfang.

Heute, am Dienstag, waren wir an der Reihe und ich muss zugeben, dass ich selten so aufgeregt war. Minuten vorher war der Saal des Theaters noch recht übersichtlich gefüllt, was jedoch am ziemlich eng gestrickten Zeitplan hier an Bord lag, denn auf dem Oberdeck auf der Poolbühne spielten gerade noch "Stratovarius" ihre letzten Töne. Es gibt Momente, da freut man sich ganz besonders über jedes In Extremo-Shirt, welches man im Saal entdeckt - und es waren nicht wenige. Überhaupt kam die Hälfte der Metalheads an Bord des Schiffes aus Europa, davon kam wiederum die Hälfte aus Deutschland, gefolgt von Schweizern und Holländern. Inmitten der Aufregung so kurz vor Konzertbeginn zauberte Flex der Biegsame plötzlich zwei kleine Flaschen Underberg aus seinem Kostüm, die er noch von unserer Weihnachtstour im vergangenen Jahr dort gebunkert hatte. Na dann, Prost - und ab ging es. Bei knapp 60 Minuten Spielzeit war keine Zeit für Experimente und so arbeiteten wir uns durch ein viel zu kurzes Best Of-Programm. Die Stimmung war gigantisch und nach dem Konzert fiel uns ein riesiger Stein vom Herzen. Specki spielte heute ebenfalls unter erschwerten Bedingungen, was ich aber erst hinterher erfuhr: Beim Versuch eine volle Dreiviertelliterbüchse Fosters mit dem Fuß wegzukicken, hatte er sich eben diesen angebrochen. Seit dem bekommt er Schmerzmittel und läuft an Krücken - aber Specki ist hart im Nehmen und sagt wegen solcher Lappalie natürlich kein Konzert ab - und schon gar nicht mitten in der Karibik. Micha als Bierbüchsenwerfer hingegen hatte ein extrem schlechtes Gewissen und erkundigte sich im Fünf-Minuten-Takt nach dem Gesundheitszustand unseres Schlagzeugers.

Mittwoch, 25.Januar: Am nächsten Tag erreichten wir dann auch schon das Ziel unser viel zu kurzen Metall Cruise, die Cayman Islands, an der Rückseite von Kuba und in unmittelbarer Nachbarschaft von Jamaika gelegen, was Vodafone sich natürlich nicht nehmen ließ, uns in der Heimat von Bob Marley zu verorten. Fünf riesige Kreuzfahrer lagen vor der Küste und warteten auf die kleinen Fährboote, welche die Gäste in die winzige Hauptstadt Georgetown shutteln sollten. Nach einer Stunde hatten wir es dann endlich auch geschafft und erreichten das Festland. Aber ganz ehrlich - warum man diese Insel überhaupt anfährt, bleibt wohl ewig ein Geheimnis. Es gab dort ein paar Restaurants, ein paar Schmuck- und T-Shirt-Läden und einen wirklich beschissenen Strand. Zum Geldwaschen sind die Caymans bestimmt ein perfekter Ort, vielleicht sind sie auch zum Tauchen in der Karibik geeignet, aber sonst ist es völlig unerklärlich, warum man hier knapp 13000 Leute von den Kreuzfahrtschiffen durch die Gegend scheucht. So, ich weiß, das ist meckern auf extrem hohen Niveau, gerade wenn man an das Wetter in Deutschland denkt, aber ich wollte es zumindest erwähnt haben. Fahrt woanders hin, wenn ihr eine Hochzeitsreise plant, okay?

Auf dem Pooldeck ging es nach unserer Rückkehr auch gleich mit Vollgas weiter, zuerst mit "Overkill" und später mit einer für mich wirklich großen Überraschung: "Annihilator"! Was für eine coole Band und ich muss zugeben, dass die in den letzten Jahren irgendwie an mir vorbei gegangen sind. Wir standen natürlich - ganz klar - während des gesamten Konzerts auf der Musikerbühne und genossen die Show, wie seinerzeit Waldorf und Statler bei den Muppets. Aber hier war großes Kino angesagt. Leider folgte die Enttäuschung des Abends mit "Nightwish" direkt im Anschluss. "Nightwish" durften ihrer Berühmtheit wegen als einzige Band der Cruise 90 Minuten zum Besten geben, aber das Gepose und die Theatralik der Finnen ging einem schon nach wenigen Minuten gehörig auf den Zeiger. Der Gitarrist verteilte ganze Batterien an Plektren im Publikum, während sich die Sängerin dazu wenig vorteilhaft bewegte. Anyway, uns muss nicht alles gefallen und es waren genug Leute im Publikum, die verdammt Spaß hatten. Aber fragt mich nicht warum...

Donnerstag, 26.Januar: Die Rückreise hatte schon während der Nacht begonnen und auch Kuba lag wieder in Sichtweite. Unser zweites Konzert wurde auf den Abend verschoben und wir durften zur Prime Time um 20:00 Uhr auf die Bühne. Bis dahin vertrieben wir uns noch die Zeit bei "Alestorm", den "Pretty Maids" und "Orphaned Land" aus Israel, die für mich hier zur zweiten positiven Entdeckung der Cruise wurden. Dann gegen Abend wurde es Zeit für uns, Specki wurde im Rollstuhl an die Bühne geschoben und mit Krücken zum Schlagzeughocker geführt. Wir mussten unsere Setlist etwas umgestalten und das Geballere etwas reduzieren, ansonsten erinnerten nur Speckis Krücken daran, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war wie bei unserem Konzert im Theater, denn der Platz vor der Bühne füllte sich erst direkt mit dem Konzertbeginn - dafür dann aber in Sekundenschnelle. Zwei schnelle Drinks gegen das Lampenfieber, Bühne entern und klar machen zum Gefecht - und schon ist alles auch schon wieder vorbei. Okay, eine Zugabe war auch noch drin - aber schon fragte man sich selbst: Was war das denn? Schon wieder vorbei? Dabei hatten wir uns doch gerade erst warm gespielt...

Das Abschlusskonzert der Cruise spielten auf dem Pool Deck dann "Venom" und es war schon erstaunlich, wie die Engländer Vollgas gaben, insbesondere Drummer Danny Needham zeigte hier, was eine Harke ist. Wenn ich darüber nachdenke, dass diese Band 1981 mit "Welcome To Hell" schon ihre erste Platte gemacht haben... da gab es schließlich noch die DDR und ich war in der 9. Klasse und hoffte jeden Sonntag darauf, dass ich mit meinem Kassettenrekorder im "Stahlwerk" auf Radio DT 64 etwas Vernünftiges mitschneiden konnte.

So, das war es dann auch schon mit dem musikalischen Teil der Metal Cruise. Wir ließen den Abend noch ein wenig in der Karaokebar ausklingen, doch bevor es zu schlimm war, verkrümelte ich mich kurz nach Mitternacht in unser Ehebett, denn am nächsten Morgen sollte schon früh um 8:30 Uhr das Auschecken beginnen und ich hatte beim Anblick der Feiergemeinde große Zweifel, dass uns das auch gelingen würde. Der norwegische Kapitän der "Majesty of the Seas" hatte sich in seiner letzten Ansprache jedenfalls ausdrücklich bei allen Metalheads und insbesondere bei den Besatzungen der Bars bedankt.
Der Vollständigkeit halber und damit der eine oder andere vielleicht etwas Geschmack an der Sache findet, will ich an dieser Stelle einmal alle Bands aufzählen, die 2012 bei "70000 Tons of Metal" mit dabei waren: Tristania, Coroner, Candlemass, Vicious Rumors, Suffocation, Pretty Maids, My Dying Bride, Riot, Venom, Kamelot, Nightwish, Stratovarius, Edguy, Children of Bodom, Virgin Steele, Kataklysm,Grave Digger, Channel Zero, Pestilence, Eluveitie, Tankard, Sapiency, Dark Funeral, Crowbar, Megora, Diamond Plate, Moonsorrow, Overkill, Atheist, Ophaned Land,Whiplash, God Dethroned, Cannibal Corpse, Alestorm, Exciter, Samael, Annihilator, Therion, Amorphis, Hammerfall, Massacre und In Extremo.

Aus den folgenden Ländern kamen die Metalheads: Andorra, Argentinien, Australien, Österreich, Belgien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Kuba, Tschechien, Dänemark, Ekuador, Ägypten, Finnland, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Island, Irland, Israel, Italien, Japan, Kirgistan, Libanon, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Panama, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Saudi Arabien, Sierra Leone, Slowakei, Slowenien, Südafrika, Südkorea, Spanien, Schweden, Schweiz, Niederlande, Trinidad, Türkei, Ukraine, Großbritannien, USA, Venezuela und Deutschland. Es ist doch einfach unglaublich, wo überall in der Welt Metal gehört wird, oder?

Freitag, 27.Januar: Ein fantastischer Sonnenaufgang begrüßte uns beim Frühstück und im Hintergrund konnte man schon die Wolkenkratzer von Miami entdecken. Dann ging es in einer langen Schlage müder Metaller in Richtung US-Immigration, die aber erstaunlicherweise zügig vonstattenging. Draußen wartete auch schon unser Shuttlebus, der uns zum Flughafen nach Miami bringen sollten, wo wir uns eine Stunde später wiederfanden. Zum Glück hatte Aeromexico noch ein paar Plätze über und wir konnten schon einen Flug früher nach Mexico/City nehmen. Was für ein Break, sich 3 Stunden später bei der Immigration der Mexikaner wiederzufinden. Aber wie der Zufall es so wollte, wurde Micha als "Das Letzte Einhorn" bereits von einem mexikanischen Zöllner entdeckt, der uns auf unserem allerersten Konzert im Jahre 2000 schon einmal gesehen hatte. Wir setzten ihn als also auf die Gästeliste für den nächsten Tag und wurden wie von Zauberhand durchgewunken. Draußen wartete bereits der Shuttle, welches uns und "Amorphis" ins nahegelegene Hotel brachte. Leider war das Hotel in Flughafennähe, so dass sich ein Ausflug in die City nicht mehr wirklich lohnte. Aber die Band hing auch etwas in den Seilen, die "70000 Tons of Metal" forderten ihren Tribut und es reichte nur noch für ein oder zwei Coroner an der Hotelbar. Draußen standen noch etwa 30 Fans, die auf die Ankunft ihrer Lieblingsbands warteten, denn mit uns sollten neben "Amorphis" auch noch "Orphaned Land" und "Stratovarius" spielen. Also gab es vor dem Hotel noch eine Autogrammsession und viele, viele Fotos. Außerdem schwankte es nach 5 Tagen auf dem Schiff auch noch etwas und man beobachtete sich selbst bei dem einen oder anderen Ausfallschritt nach rechts oder links. Da wurde es langsam auch Zeit für ein Bett, welches nicht mehr schwankte...

Samstag, 29.Januar: Den Tag über hatte die Band im Hotel vergammelt, zumindest ein Großteil, denn man musste sich mit viel Schlaf vom anstrengenden Urlaub in der Karibik erholen. Micha nahm sich ein Taxi in die Stadt und ließ sich einen Mariachi-Anzug schneidern, Pymonte drehte eine kurze Runde ums Hotel und landete auf einem Blumengroßmarkt und ich schrieb hektisch am Tourtagebuch, da der liebe Wolf-Rüdiger Mühlmann dringend auf meinen Reisebericht wartete, da mit diesem die im April erscheinende In Extremo-Biografie abschließen soll. Ab und an ging ich zwischendurch in die Hotellobby, um Kaffee zu trinken und immer noch warteten die Fans auf ihre Bands - also hieß es immer wieder ein paar neue Fotos zu machen.
Um 17:00 Uhr fuhren wir dann ins nahegelegene Venue, den Circo Volador. Hier spielen wir nunmehr zum 3.Mal und auch dieses Mal gab es vor dem Eingang einen riesigen Schwarzmarkt an Merchandising zu bestaunen, mit sämtlichen Devotionalien der beteiligten Bands. Der Circo Volador war bis unter die Decke mit erwartungsvollen Fans gestopft, die sich auch von den technischen Problemen, mit welchen die Techniker der Bands zu kämpfen hatten, ihre Stimmung verderben lassen wollten. Technische Probleme stehen in Mexiko ohnehin auf der Tagesordnung und da verwundert es auch nicht, dass die Techniker der mexikanischen Crew fast ausschließlich Spanisch sprachen. Fremdsprachenkenntnisse, selbst ganz rudimentäre, waren hier nicht so angesagt, doch wir waren bereits das vierte Mal in diesem Land zu Gast, kannten uns halbwegs mit diesen Gepflogenheiten aus und würden auf jeden Fall ein grandioses Konzert geben wollen.
"Ophaned Land" eröffneten den Abend und es folgten "Amorphis", die 20 Minuten länger für ihren Umbau brauchten, weil wie erwartet nicht viel funktionierte. Micha, Basti und ich sahen uns nur kurz an und dachten augenscheinlich an genau dasselbe, denn wir hatten in der DDR früher mit Sicherheit viel beschissenere Anlagen zur Verfügung und spielten damals viele unserer Konzerte mit Monitorboxen, welche diesen Namen nicht ansatzweise verdient hätten. Anscheinend waren genau diese bei unseren Vorgängern das Problem. Aber Augen zu und durch, denn entweder ist man Rockmusiker oder Mimose. Aber irgendwann waren auch "Amorphis" in Spiellaune und dem Charme der mexikanischen Fans erlegen.
Dann waren wir als vorletzte Band an der Reihe und ein ohrenbetäubender Jubel brach aus, als wir die Bühne betraten. Alles erinnerte an unsere erste Reise hierher und an den spektakulären Empfang, den man uns hier immer bereitet hatte. Die Fans drehten völlig frei und die Security hatte alle Hände voll zu tun, die über die Köpfe an die Bühnenkante gereichten Fans entgegenzunehmen. So muss Rockmusik sein, die Band lief zur Höchstform auf und ließ sich von den Fans durch die gesamte Setlist tragen. Micha hatte ein paar spanische Ansagen parat und spätestens bei "En esta noche" explodierte das Circo Volador förmlich.

Das war es dann auch schon wieder - leider - und das Konzert hier in Mexiko, welches am Anfang nicht so ganz in den Tourplan passen wollte, entpuppte sich hinterher als eine der besten In Extremo-Konzerte überhaupt. Und wenn es am Schönsten ist, dann soll man bekannterweise aufhören und so nerve ich euch nicht weiter mit langweiligen Berichten über Backstagepartys, Ausflügen in die Stadt oder den Rückflug ins kalte Deutschland. Minus 4 Grad Celsius sollen es in Berlin sein - kaum vorstellbar bei meinem Blick aus dem Hotelfenster in Mexico/City...

Bis zum nächsten Mal, bleibt uns gewogen und keep on rocking! Wir sehen uns im Sommer!
Die Lutter