Rockworx - Dezember 2006

27 Dec 2006

Meinen Bekannten Mario Reiff, Chef des Barnimer Rockmobils, kenne ich schon seit langem, schließlich haben wir vor Jahren einmal dasselbe versucht, nämlich Rockmusik-Workshops mit Jugendlichen zu veranstalten. Während jedoch mein früherer Arbeitgeber aus Kostengründen dieses Konzept finanziell nicht mehr unterstützte und es schließlich ganz in den Sand setzte, machte Mario im Land Brandenburg einfach weiter und zeigte wie es funtionieren könnte.Und seit eben jener Zeit mailt er mir hin und wieder einmal und versucht mich zu einem Workshop zu bewegen, was zwischenzeitlich nicht so einfach war, denn ich verlagerte meinen Hauptwohnsitz für 3 Jahre nach Petaling Jaya in die Nähe von Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur. Da wollte ich die wenig verbliebene Zeit in Deutschland natürlich lieber für die Arbeit mit In Extremo nutzen. Und außerdem: Workshops so ganz allein sind anstrengend und In Extremo ohne Dudelsäcke? Was würde übrig bleiben von den Songs, so ganz um das laustarke Beiwerk beraubt?

Doch auch in Südostasien hat mich die Workshoparbeit nicht wirklich losgelassen und so arbeitete ich jede Woche mit einem Rockmusikprojekt an der Deutschen Schule in Kuala Lumpur und konnte ein Jahr später als Projektleiter in Jakarta/Indonesien und ein weiteres Jahr darauf in Manila auf den Philippinen arbeiten. Kurz nach meiner Rückkehr nach Deutschland erreichte mich dann auch schon die nächste Einladung von Mario, dieses Mal für Anfang Dezember und dieses Mal wollte ich nicht schon wieder absagen. Im Gegenteil: Vielleicht könnte ich ja den Morgenstern und Van Lange auch zur Teilnahme bewegen. Also machte ich mich an die Vorbereitung, getreu dem Motto eines alten Ramones-Songs: "I Don't Wanna Grow Up!" Workshops die sich mit Rockmusik befassen sind eben ein ideales Betätigungsfeld für Berufsjugendliche wie mich. So fuhr ich also im Oktober erst einmal für ein Wochenende nach Leinefelde in Thüringen um dort mit bereits existierenden Band in einem Workshop zu arbeiten. Doch der Job als Alleinunterhalter ist nicht annähernd so spannend wie mit anderen Musikern arbeiten zu können - vorallem wenn es noch Leute aus der eigenen Band sind die einen unterstützen.

Marios Rockworx-Workshop sollte also Anfang Dezember im Schloss Lichterfelde, in der Nähe von Eberswalde, stattfinden. Mir war zwar etwas unwohl bei dem Gedanken mit dem Namen "In Extremo" zu werben, denn schließlich wollten wir diese Veranstaltung nur mit Bass, Gitarre und Schlagzeug über die Bühne bringen. Doch es gab ja quasi Teil-In Extremo zum Anfassen - und natürlich auch zum pausenlosen Befragen. Und das war ja der eigentliche Sinn der Sache. Aber würde das ausreichen? In Extremo ohne Herz? Wir dachten nicht erst lang darüber nach, bereiteten drei, vier Songs vor die vielleicht auch ohne unser Gebläse funktionieren könnten und sprangen kopfüber ins kalte Wasser. Es war ja auch für uns gewissermaßen Neuland. In Lichterfelde angekommen erwarteten uns bereits an die 40 Jugendlichen mit ihren Instrumenten - und auch völlig quer durch alle Altersklassen. Doch zuerst wurden alle möglichen Workshops auf der Bühne vorgestellt, schließlich waren wir nicht die einzigen die etwas anzubieten hatten.

Dann ging es für uns auf die Bühne und wir spielten "Küss mich" zu dritt, also nicht nur komplett ohne Dudelsäcke, sondern auch als reine Instrumentalversion ohne Gesang. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl einen Song so ganz ohne Beiwerk, Melodie und Gesang zu spielen, doch es funktionierte. Anschließend verteilten Van Lange, Morgenstern und ich uns mit jeweils 10 - 12 Interessierten auf die unterschiedlichen Räume und probten diese Nummer pausenlos, bis auch der Letzte in der Lage war "Küss mich" relativ fehlerfrei über die Bühne zu bringen. Danach stellten wir ein paar Bands aus unterschiedlichen Musikern zusammen, kopierten den Text und suchten nach ein paar Gesangsfreiwilligen. Was bei den allermeisten Workshops ein unüberwindliches Problem darstellt, schließlich gehört zum Singen ja auch immer eine gehörige Portion Selbstbewusstsein und Darstellungsgabe, war in Lichterfeldeüberhaupt kein Problem. Das sah bei den Instrumentalisten dann irgendwie schon ganz anders aus, denn oftmals waren es die vermeintlichen Könner (und eben auch Poser) die bei der anschließenden Bühnenpräsentation im Endeffekt eine eher klägliche Figur abgaben, wohingegen ein paar vielleicht gerade einmal 13jährige Mädchen völlig cool und selbstbewusst ihre Parts zu spielen wussten.


Insgesamt donnerte ein etwa dreiviertelstündiges Küss mich-Gewitter auf die Anwesenden herab, was nach 4 Stunden Vorbereitung am heutigen Tag schon deutlich unsere Schmerzgrenze überschritt. Wir konnten mittlerweile diese Nummer einfach nicht mehr hören, zumal nach fast fünfstündigen ununterbrochenem Bass-, Gitarren- und Schlagzeuggetöse sich auch planmäßig der Tinnitus wieder einstellte und mahnte, wie seit 20 Jahren nun schon, doch endlich den teuer erworbenen Gehörschutz auch einmal einzusetzen.

Es hat Spaß gemacht mit euch! Und wenn ein solcher Workshop bei dem einen oder anderen die Lust auf mehr geweckt haben sollte, dann haben wir unseren Job auch gut gemacht.