Tourtagebuch 2005

12 Dec 2005

Mein rasend Herz - Herbsttour 2005 - die erste Woche 22.9.-2.10.

Okay, überredet! Wenn man schon so nett Block und Stifte in die Hand gedrückt bekommt werde ich mich wohl wieder einmal mehr zum Tourtagebuch schreiben hinreißen lassen müssen. Es hat zwar eine Weile gedauert (Jetlag und - gibt es auch so etwas wie Tourlag?), dafür nun aber mit etwas Abstand. Doch wo fange ich an?

Die lange Vorbereitungszeit und die Proben im Potsdamer Lindenpark schenke ich mir mal. Aufbauen, 2 Tage das volle Programm proben, abbauen. Und immer wieder wurden neue Kabel gebraucht, das Bühnenbild transportfertig gemacht (wie immer war alles eine Nummer zu groß um in einen 40-Tonner zu passen), das Licht einprogrammiert usw.usf... Zwischendurch sah man den Doktor sogar höchstpersönlich am Schweißgerät sein selbstgebautes Hackbrett zusammennieten.


Bei uns sind eben viele Instrumente etwas gröberer Bauart... Und die eine Woche, die ich vor Tourbeginn in Berlin war, ließ nur wenig Zeit für die wichtigsten Besuche. Dann war da ja noch die Popkomm in der Stadt, eigentlich ein Pflichtbesuch für die musizierende Gemeinschaft, allein schon wegen der Freigetränke. Aber neeeee... Mir fehlte irgendwie die Lust dazu mit einem Schirmchen-Drink in der Ecke zu stehen, mir das "Nächste gaaaaanz große Ding!" irgendwelcher Plattenfirmen zu Gemüte zu ziehen und über Chartplazierungen zu schwadronieren. Doch wenigstens ein Konzertbesuch musste in dieser einen kurzen Woche schon noch drin sein, zumal in Malaysia in dieser Hinsicht ja nicht allzu viel zu holen ist. So wurde es ein Ausflug zu unseren Lieblingskrawallmachern von Knorkator, die im Kesselhaus spielten. Wenigstens ein kleiner Kulturbeitrag und eine kleine Wiedergutmachung, denn ausgerechnet in unserer Tourzeit spielten natürlich Kreator in Kuala Lumpur und Muslims beim Pogen gibt es ja nicht jeden Tag zu bestaunen. Außerdem verirrten sich in dieser einen Woche sogar Stomp ins alte Nationaltheater - und als Zugabe sogar der alte Mann James Brown. Da wäre ich schon gern mit dabei gewesen. Es ist schon merkwürdig: Wenn ich in Asien bin gibt es außer ein paar abgehalfterten Heulbojen aus den Staaten nichts zu hören, doch kaum sitzt man im Flieger kommen zumindest Linkin Park, Incubus und eben Kreator und Konsorten. Aber mittlerweile kann man sich die Konzertberichte ja von seinen Kindern liefern lassen... Irgendwie ist es wie beim Fußball: Wieso habe ich immer das blöde Gefühl, dass mein Klub stets verliert wenn ich mal im Stadion sitze?


Also, the same procedure every year - doch das will natürlich nichts Schlechtes heißen, zumal es im vergangenen Jahr keine wirkliche Tour für In Extremo gab. Die Crew von Black Box Berlin war wieder mit am Start und außerdem unsere berühmt-berüchtigte Merchandising-Crew um Puck, Bertel und dem Bieber.


Thüringen "Helau!", denn hier gab sich die feierwütigste Crew die Ehre, In Extremo den Kühlschrank leer zu trinken. "Ist noch Bier da?" "Neee, musste mal zum Merch-Stand gehen!" Jeden Abend auf's Neue... Außerdem habe ich meinen Freund Jeret aus Malaysia mitgebracht, das erste Mal im Ausland, abgesehen von einem Kurzbesuch in Singapur.


Abfahrt um Mitternacht, eine der wenigen Traditionen die wir als Band pflegen. Der Sinn war eigentlich einmal, dass man ausgeschlafen den Zielort erlangt und nebenbei die Staus elegant umfährt. Zumindest ersteres ist ganz schnell wieder in Vergessenheit geraten, aber das war ja eigentlich auch klar: Wenn der Onkel mit dem großen weißen Bus seine Meute ins Kinderferienlager fährt ist die Stimmung eben auf dem Siedepunkt und alles wartet voller Vorfreude bereits auf das Entern der nächstbesten Raststätte kurz hinter der Stadtgrenze! Normalerweise, denn dieses Mal schafften wir es gerade mal bis zur Tankstelle nach Berlin - Pankow J! Da wir in diesem Jahr das erste Mal mit 2 Bussen unterwegs waren, wurde schon bei der Abfahrt entsprechend eingeteilt:
"Partybus" (Crew) und "Musikerbus" (Musiker eben). Dementsprechend spannend war auch die Geruchsverteilung nach wenigen Stunden und es hat uns schon verwundert, als Tonmann Vadda nach einer Woche unseren Bus bestieg und meinte: "Ich dachte, früher im Doppeldecker stank es immer so weil die Musiker früh um halb fünf ihre Gläser nicht mehr richtig treffen. Scheint wohl doch nicht nur an euch gelegen zu haben!"


Tourstart in Bremen, 22.9., Pier 2, einer der schöneren Veranstaltungsorte auf der Tour. Das Pier 2 liegt zwar, wie so viele andere Hallen auch, weitab vom Stadtzentrum, doch dafür direkt am Hafenbecken. Das hat ja auch was: Man zieht den Vorhang seiner Koje zur Seite und kann direkt auf's Wasser sehen (währenddessen die Crew seit 9.00 Uhr morgens bereits am Werkeln ist). Die blödeste Begrüßung nach dem qualvollen Aufstehen ist dann meist die folgende: Man kommt gegen Mittag in die Halle, die Umrisse des Kopfkissens sind natürlich noch deutlich im Gesicht abgezeichnet, man zeigt sich gern bartstoppelig und mit nichts als einer Zahnbürste bewaffnet und sagt lautstark: "Ah, hier wird schon gearbeitet!" Der ururalte Running Gag aus "Wir können auch anders!" Eine Steigerung der Zuneigung erreicht man nur noch, indem man sich einen Kaffee schnappt, den Technikern permanent im Weg steht und lautstark Bühnenanweisungen verkündet. Oder, nur mit Socken und Turnhose bekleidet, jetzt unbedingt die Seiten an seiner Gitarre wechseln muss, die natürlich noch friedlich im Case, natürlich unter vielen anderen Cases, vor sich hin schlummert. Anyway: Ein schlechtes Gewissen im Anblick der arbeitenden Bevölkerung hat ja noch niemandem geschadet.
Wir waren schon zwei Mal im Pier 2 zu Gast, jedoch immer innerhalb unserer Weihnachtstouren. Doch das Publikum scheint ein gutes Gedächtnis zu haben, denn unser Gast, der das Geschehen auf der Bühne von der Empore links neben der Bühne verfolgte, wurde lautstark mit "Busfahrer! Busfahrer!"-Rufen begrüßt. Ich glaube es hat ihm trotzdem gefallen, obwohl er etwas verunsichert war - der Mann auf der Empore war schließlich nicht unser Busfahrer - sondern unser Anwalt :-).


Am nächsten Morgen ging es nach Rostock in die Scandlines Arena, endlich mal ein Laden in dem wir zuvor noch nicht gespielt haben. Und auch dass wir in Rostock gespielt haben ist schon unendlich lange her: Im Oktober 1999 waren wir mal im Mau-Club - da würden wir heute nicht mal mehr ein Viertel unserer Bühne unterkriegen. Für Dr.Pymonte war es wie ein Kindergeburtstag, endlich konnte er wieder einmal in seiner Heimatstadt spielen! Dementsprechend sah auch des Doktors "Gästeliste" aus: 50 Personen + der gesamte FC Hansa! Gegen Mittag ging es dann auch erst mal zum benachbarten Ostsee-Stadion um mal dem Training zuzusehen und den Fanshop auf den Kopf zu stellen. Leider war, scheinbar wie jeden Tag, gerade trainingsfrei - kein Wunder also dass Hansa nun sogar in der 2.Bundesliga am Tabellenende vor sich hin dümpelt.


In der Nacht ging es dann weiter nach Berlin in die Columbia Halle - und ich hatte es ja schon geahnt, dass es mir wieder nicht gelingen würde meinen Geburtstag irgendwie geheimzuhalten. Bei den Bandkollegen geht so etwas im Laufe der Hektik ja gerne mal unter, aber leider feiere ich bei In Extremo meine Geburtstage stets auf Tour, so dass der Morgenstern irgendwann fragte: "Kay - Herbsttour! Hast du nicht Geburtstag?" Ja, leider. Und auch dem Gästebuch blieb es nicht verborgen, denn die ersten Geburtstagsgrüße kamen von Lucka, Hanah, Pavla und Lenka aus Tschechien... So wurde es auch ein ganz besonderer Geburtstag, denn hier in der Columbia Halle haben wir ein komplettes Konzert für eine neue DVD und Live-CD mitgeschnitten (inklusive des unvermeidlichen "Happy Birthday"). Und meine Verheimlichungsversuche waren nun völlig zum Scheitern verurteilt! Als Gast für "Poc Vecem" und "Singapur" war heute Robert von den Inchtabokatables mit dabei - er hatte ja schon einen kleinen Auftritt auf unserer CD. So konnten wir uns wenigstens auch ein klein wenig für die Einladung zum Abschiedskonzert der Inchtabokatables vor ein paar Jahren revanchieren. Heimspiel, DVD-Produktion und Geburtstag - es war wirklich mit das geilste Konzert von In Extremo überhaupt - ich hoffe nur dass es uns geklingt, die Stimmung auch auf der DVD rüberzubringen.


"Und seh'n wir uns nicht in dieser Welt, dann seh'n wir uns in Bielefeld"! Mann, ist der alt! Ich weiß - aber immer wieder gern genommen, oder? Da die Party in Berlin zum Schluss doch noch größere Ausmaße annahm (wie befürchtet) ging es heute als erstes zum - na sagen wir mal "Aufhübschen" - in die Sauna: der Doktor, Van Lange, Morgenstern und meine Wenigkeit. Doch das Dampfbad erweckte schon ein paar Assoziationen zum gestrigen Abend auf der Bühne und irgendwie hielten wir es nicht lange aus. Ein bisschen Rock'n'Roll-Dreck muss schon noch haften bleiben, außerdem macht die Sauna die Fingerkuppen weich, was beim Gitarrespielen ja eher hinderlich ist.
Heute erreichte uns übrigens eine Mail voll des Lobes über unsere moderaten Eintrittspreise und das was man dafür geboten bekommt. Wir haben uns natürlich sehr darüber gefreut, obwohl wir auch wissen, dass nicht alle derselben Meinung sind. Muss ja auch nicht. Deshalb ein paar Worte dazu: Im Laufe der Jahre sind natürlich unsere Kosten um ein Vielfaches gestiegen und wir sind mittlerweile mit 26 Leuten, 2 Bussen, einem Truck, einem LKW und einer kompletten PA unterwegs, um den Zuhörern auch das Optimale zu bieten. Dazu kommen größere Hallen (und höhere Kosten für u.a. die Miete und die Security). Dazu kommen laufende Kosten für Verstärker, Bühnenbild, Pyrotechnik usw.usf. Und, da will ich mal ganz ehrlich sein, wir sind immer noch eine Band, die fast ausschließlich vom Livespielen lebt. Wir machen es uns im Vorfeld bei der Diskussion über die Finanzierung einer Tour immer sehr schwer und ich denke, dass wir mit ca.25 Euro pro Konzert (die Vorverkaufsgebühren sind nicht unser Ding) einen ganz guten Kompromiss gefunden haben. Ich denke manchmal auch gern zurück an Konzerte mit AC/DC, die zusammen mit Metallica kurz nach der Wende noch für 75 DM in der Berliner Waldbühne zu sehen waren und es ärgert mich genauso, wenn Neil Young für ein Solokonzert in Berlin 120 Euro aufruft. Kurz vor Tourstart war ich übrigens noch auf einem Konzert von Jamiroquai in der Berliner Arena - das kostete ohne Support schlappe 48 Euro, was ich auch nicht besonders amüsant finde. Wir werden es wohl nicht mehr ändern können - außer mit Fernbleiben natürlich.

Köln, off day und Kulturprogramm vom Feinsten: Sightseeing inklusive Kölner Dom - und wie es sich gehört auch mit Kamera bewaffnet, denn schließlich wollte mein Freund Jeret zu Hause zeigen wie es in Deutschland so aussieht. Eine gute Ausrede mal den Dom zu besuchen. Danach ging es ins Steakhouse, wo Gerichte serviert wurden, die abnorme Ausmaße hatten. Jeret schüttelte nur mit dem Kopf. Das war definitiv nicht das Richtige für kleine Asiaten. Leider hatte der nebenan befindliche Sex-Shop geschlossen - das wäre jedenfalls mal etwas gewesen was es in Malaysia garantiert nicht gibt. Ansonsten war Sauna und Ausschlafen angesagt, zumindest letzteres ist in den drei Tagen zuvor ganz erheblich zu kurz gekommen.


Am Dienstag, den 27.9. ging es dann weiter ins Kölner E-Werk, gewissermaßen Heimspiel für Micha. Im Gästebuch und per Mail erreichten uns nach diesem Konzert übrigens eine Menge Statements bezüglich der wohl ziemlich fiesen örtlichen Kölner Security. Okay, wir haben das Geschehen während eines Konzertes nicht im Blick, mal abgesehen von der Arbeit der direkt vor uns im Graben arbeitenden Security. Was am Eingang abgeht können wir leider nicht abschätzen. Und dass bei solchen Firmen ab und zu ein paar Typen unterkommen die zuviel Rambo, Rocky- und Terminator-Filme gesehen und/oder einen Intelligenzquotienten jenseits von Gut und Böse haben, ist auch kein Geheimnis. Doch die Security-Firmen sind Sache des örtlichen Veranstalters an den wir solche Mails anschließend weiterleiten. Wir können nur beim nächsten Konzert darauf achten, dass der Veranstalter mit einer anderen Firma zusammen arbeitet.

In diese Nacht hatte Karsten, unser Busfahrer, nicht allzuviel zu tun, denn es ging nur 80 km weiter in die Turbinenhalle nach Oberhausen. Ob das so eine tolle Idee war, zumal Schalke an diesem Abend zu Hause in der Champions League spielte, weiß ich nicht. Ich will es mal positiv umschreiben: Die Halle jedenfalls war riesig und die Zuschauer hatten eine Menge Platz. Und wir hatten auch unseren Spaß. Und apropos Fußball: Seit unserem Start in Berlin tippen wir die Bundesliga-Ergebnisse und verpfänden unsere Gagen J Bisher gab es ein heißes Duell zwischen unserem Tourmanager Dirk und mir, wobei Puck, als Fußball-Fachmann und "Bundesliga-Manager" (bei ihm spielte sogar Dynamo Dresden in der Champions League) zu unserer Freude bereits etwas abgeschlagen im Mittelfeld vor sich hindümpelte. Als uns dann einfiel, der Langeweile wegen auch noch die Champions League in unsere Wetten mit einzubeziehen, wehrte sich Puck mit Händen und Füßen und konnte nur mit Alkohol gefügig gemacht werden. Leider hatten wir uns damit im Endeffekt ein übles Eigentor geschossen.
Mille von Kreator, am Sonntag noch im Backroom von Kuala Lumpur zugange, wollte uns heute eigentlich in Oberhausen mit seiner Anwesenheit beehren, doch er litt leider noch am Jetlag. Der Arme: Wie man vom einmaligen Fliegen der Strecke Frankfurt - Kuala Lumpur - Frankfurt drei Tage lang jetlaggen kann entzieht sich mittlerweile meiner Kenntnis :-).


In der Nacht ging es weiter in die Freiheitshalle nach Hof. Der Blick aus dem Tourbus am nächsten Morgen in Hof war jedoch extrem ernüchternd - es nieselte und der Herbst hatte definitiv angefangen, eine Jahreszeit der ich absolut nichts Positives abgewinnen kann. Was kann schon positiv an Depressionen sein? Man wartet bis endlich am Abend das Licht ausgeht und man vergessen kann wie es draußen aussieht. Und dass die Blätter von den Bäumen fallen finde ich auch extrem unromantisch. In Südostasien fallen keine Blätter von den Bäumen - zumindest nicht alle gleichzeitig! Das ist definitiv ein Pluspunkt der für's Auswandern spricht, oder? Jeret versuchte unterdessen die freien Stunden zu nutzen, um ein paar Souvenirs für Malaysia einzukaufen. "Underberg" sollte auf jeden Fall dabei sein, doch leider bewahrheitete sich mein Spruch "Den finden wir in Deutschland an jeder Ecke!" nicht - Hof ist definitiv underbergfreie Zone! Stattdessen fing uns der Raubritter, Fan der ersten Stunde, wie gewohnt mit einem Kasten "Raubritter Dunkel" am Tourbus ab. Das war ja auch nicht zu verachten.
Wenn man die Freiheitshalle in Hof im Laufe des Vormittags betritt - sie hat ungefähr den Charme eines stalinistischen Kulturpalastes in Sibirien - liegt einem der Gedanke ans Musikmachen irgendwie fern. Keine Ahnung, es gibt Stätten die haben einfach keinen Rock'n'Roll... Und Orte die so clean sind wie Turnhallen gehören definitiv dazu. Meister Propper lässt grüßen. Da freut man sich dann über jede weggeschmissene Kippe und über jedes übergelaufene Bier. Später, wenn der Laden dann endlich aussieht wie ein bayrisches Bierzelt gegen Mitternacht, vergisst man dann gern dass man eigentlich in einer fränkischen Sporthalle spielt.


In der Nacht zum 30. September ging es dann weiter nach Wien ins Gasometer, unserem einzigen Konzert im Ausland bei dieser Tour. Da ich von Wien bisher immer nur die Außenbezirke zu Gesicht bekam, nutzten Jeret und ich mal ein paar freie Minuten für einen Citybesuch - natürlich wieder mit der unvermeidlichen Kamera bewaffnet. Doch immer wenn ich mal ein Foto machen wollte, waren im Hintergrund Asiaten zu sehen - Chinesen, Inder und Japaner so weit das Auge reichte. Jeret kann diese Bilder wohl kaum in Kuala Lumpur herumzeigen, es würde niemand glauben, dass er in Europa war. Na gut, vielleicht kann er ja dezent das Flugticket daneben legen... Gegen Abend kam die Band dann noch auf den schönen Gedanken shoppen zu gehen. Leider befindet sich die Veranstaltungshalle im Groundfloor eines riesigen Shoppingkomplexes - und der Eingang zu Halle eben auch. Es war wie bei einem Besuch im Zoo: Die In Extremo-Besucher, zumal alle in schwarz gekleidet, amüsierten sich köstlich über die äußerst bunt gekleidete Band, die sich über die CD-Abteilung hermachte. Das anschließende Konzert und auch die Autogrammstunde später am Merchandisingstand waren ein großartiges Erlebnis - und siehe da: Es gibt auch eine Security, die nicht ständig auf die Uhr schaut und die Leute versucht, auf schnellstmöglichem Wege hinauszukatapultieren. Danke Wien! Es war definitiv ein Tourhighlight!


Dann ging es weiter in Richtung Dresden, einmal quer durch die Slowakei und Tschechien. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht, zum einen weil der Bus wie wild über die slowakischen und tschechischen Landstraßen schaukelte, zum anderen wegen Jerets Pass, der an jeder Grenze sorgsamst begutachtet und abgestempelt wurde. Die Europäische Union grüßt ihre Gäste! Nun gut! Auf Dresden am 1.10. und Leipzig am 2.10. freuten wir uns irgendwie ganz besonders. Als Ostler hat man zugegebenermaßen natürlich eine ganz besondere Affinität zur ehemaligen Zone und man stand in jeder dieser beiden Städte mit einer Unzahl an Bands auf den verschiedensten Bühnen. So fanden wir im Dresdener Schlachthof in der Ahnengalerie dann auch unsere ersten In Extremo-Eintrittskarten der "Weckt die Toten!"-Tour wieder. Apropos "Weckt die Toten!": Den Ruf nach "Spielt mal wieder alte Songs!" versuchen wir, zumindest manchmal, geflissentlich zu ignorieren. Stücke wie "Ai Vis Lo Lop" haben wir bisher auf jeder Tour zum Besten gegeben -und irgendwann muss man auch mal Pause machen und etwas Abstand dazu finden. Es ist zwar eine schöne, aber dennoch uralte Gurke die wir seit 1998 mit uns herumschleppen. Alte Songs können Segen und Fluch zugleich sein, wobei ich zugeben muss, dass ich bei einem Stones-Konzert natürlich auch auf "Satisfaction" warte :-). In Dresden hatte die Security auch wieder etwas mehr zu tun, was nicht zum Schluss diesen drei volltrunkenen Idioten zu verdanken war, die ohne Rücksicht auf Verluste sich im Extrem-Pogo übten. Nichts gegen Pogo - und schließlich weiß jeder in den ersten Reihen bei einem Rockkonzert was ihn erwartet und dass es natürlich nicht so gesittet zugeht wie im Disney Club - aber das war eine Nummer zu heftig, Kollegen. Und wir schmeißen nicht gern Leute raus, das könnt ihr uns glauben! Aber nun wieder zum Positiven, denn Dresden war (wie erwartet) ein großartiges Publikum: Es gibt eine neue Tendenz im Fanclubbereich - Fanclubs für den Pyrotechniker. Das Banner vom "Pyromantiker FC" wurde zwar heftig geschüttelt, doch unsere liebe Pumpe, eher schüchtern und zurückhaltend, versteckte sich hinter den Boxen an den Knöpfen der Gasanlage und war mit nichts auf der Welt zu überreden, sich mal auf der Bühne zu zeigen.


Die Nacht wurde für Karsten, nach der anstrengenden Gurkerei durch Tschechien und die Slowakei, zum Kurztrip. Leipzig ist ja quasi um die Ecke. Nach unserem Soundcheck war heute endlich auch einmal Zeit für ein Gruppenfoto mit (fast) allen Beteiligten.


Naio Ssaion, unsere slovenische Supportband, war ja bisher immer etwas schüchtern und die Musiker trauten sich irgendwie nicht unseren Bus zu besuchen. Keine Ahnung warum. So haben wir uns dann heute einfach zu ihrer Abschlussparty eingeladen und es wurde eine laaaaaaange Nacht. Ich habe sie dann noch gefragt, was Naio Ssaion denn überhaupt bedeutet und sie meinten lachend: Na nichts! Es klingt einfach gut! Nun wisst ihr es also! Naio Ssaion haben uns im übrigen ausgezeichnet gut gefallen und sie werden zur Weihnachtstour auch wieder mit uns unterwegs sein.


Und wie war es für Jeret? Ein Foto zum Abschied: Er ist ein Mensch der immer mit einem Lächeln durch die Welt zu gehen scheint und uns im Laufe der Zeit irgendwie damit angesteckt hat. Und er sieht Dinge die wir oft gar nicht mehr bemerken. Und auf die Frage was ihm denn an Deutschland überhaupt nicht gefallen hat, sagte er mit einem Lachen: Kay, es war schon irgendwie blöd ausgerechnet am 11.September mit dir in Frankfurt zu landen!


So, das war es dann auch schon wieder. Ich bin zurück in meiner zeitweilig neuen Heimat, sitze an meinem Schreibtisch, schaue auf den Dschungel und frage mich, ob ich was Wichtiges vergessen habe. Ich brauche immer eine Weile um mich wieder umzustellen. In Malaysia hat gerade die Fastenzeit für die Muslims begonnen und die Uhren ticken etwas anders. Viel, viel langsamer. Mir fällt nichts mehr ein...


Die wenigen negativen Dinge vergisst man gern und schnell - In Extremo waren jedenfalls froh wieder auf Tour zu sein, wenn auch nur für kurze 11 Tage. Die ausführliche Konzertberichterstattung ist aber immer noch nicht mein Fall, es ist eben schlecht über sich selbst zu schreiben. Was hat geklappt und was wieder einmal nicht? Welche Pannen gab es zu bewundern? Wie war die Band drauf? Das ist definitiv euer Ding!


Eine Band ist irgendwie wie ein Lebewesen: Es gibt gute und schlechte Tage, gute und weniger gute Konzerte - doch unter dem Strich ist es genau das, was eine Band ausmacht! Es war wieder einmal schön mit dem "Rüdenhaufen" unterwegs zu sein und nach ein paar Tagen Abstand gibt es nichts was man lieber machen würde!