Yellow Pfeiffer
NAME:
Yellow Pfeiffer
BÜRGERLICHER NAME:
Boris Pfeiffer
INSTRUMENT:
Dudelsack, Blasinstrumente, Nyckelharpa
WOHNORT:
Berlin
MITGLIED BEI IN EXTREMO SEIT:
1997
LIEBLINGSALBUM VON IN EXTREMO:
Die ersten 11
LIEBLINGS LIVE-SONG VON IN EXTREMO:
Belladonna
BESTE SHOW MIT IN EXTREMO:
Erfurt 2010
ZUKUNFTSWUNSCH FÜR IN EXTREMO:
Eine Welt ohne Durst
EHRLICHE ARBEIT KLINGT immer so spießig, aber es ist eben sehr befriedigend, etwas mit den Händen zu erschaffen. In der Anfangszeit von In Extremo haben wir unsere Kostüme selbst geschneidert oder Schuhe genäht. Wir hatten auch unsere eigenen Knalleffekte, die wir mit Kaffeemühlen und in Tomatenmarkdosen zusammengebastelt haben. Auf den Mittelaltermärkten hatten wir andere Gaukler kennengelernt, die kleinere Pyroeffekte genutzt haben und von denen hatten wir das Rezept. Ich musste Micha mal die Kaffeemühle aus der Hand nehmen, weil er in der falschen Reihenfolge Sachen reingemischt hat – und Zutaten, die überhaupt nicht reingehörten. Er ist ja von der ganz schnellen Sorte, da muss man ein bisschen aufpassen.
Das „Rockstarleben“ ist eine andere Welt, und ich schaffe mir da meinen Ausgleich. Mit 19 oder 20 habe ich mal ein Imkerwochenende mitgemacht bei einem Freund, der Bienen hatte. Vor zwei Jahren habe ich dann wieder Lust bekommen und dachte mir: hier im Garten könnten ruhig ein paar Bienen mehr rumfliegen. Ich bin im Internet über die „Bienenkiste“ gestolpert, die für artgerechte Bienenhaltung steht. Also nicht so wie Imker heute, denn die Bienen müssen mit Naturwabenbau noch alles selber machen. Das Modell der Bienenkiste ist allerdings nicht mittelalterlich, sondern orientiert sich am „Krainer Bauernstock“ aus dem 18. Jahrhundert. Man lässt die Bienen eher in Ruhe und doktert nicht so an ihnen herum und tötet auch nicht die Drohnen – all diese Sachen, die Imker heute so machen. Es geht nicht in erster Linie um den Honigertrag, sondern darum, dass die Bienen ihren Spaß haben. Unterm Strich bleibt dann zwar auch Honig für den Mensch übrig, aber das ist nicht vordergründig. Es ist alles ein bisschen einfacher, aber eben auch natürlicher, und das war mir wichtig. Moderne Bienenhaltung hat schon was von Massentierhaltung. Ich bin schon so ein bisschen Selbstversorger. Wir haben einen großen Gemüsegarten, und die Kartoffeln sind so angebaut, dass sie für das ganze Jahr reichen. Wir haben nicht die Zeit, dass das hundertprozentig funktioniert mit der Selbstversorgung, aber möglichst viel kommt aus dem eigenen Garten. So, wie es eben passt. Die Band braucht eben auch viel Zeit.
Aber es ist schon schick, dass ich mich abwechseln kann und darf. Ich kam gerade eben mit dröhnendem Kopf aus dem Proberaum und habe mich dann im Regen in den Garten gehockt, um nach den Bienen zu sehen. Erstmal runterkommen. Umgekehrt bin ich aber auch wieder froh, wenn wir auf Tour fahren. Ich mag es ja auch, auf der Bühne herumzufetzen – dann darf es auch laut und krachig sein. Ich bin dankbar für die Mischung, die mein Leben ausmacht.
Auf Klassenfahrt mit In Extremo erlebe ich ständig etwas Neues und erweitere meinen Horizont. Es hat was von einer Zeitreise, in Länder wie Rumänien oder Russland fahren zu können. Man ist unterwegs und sieht zehn Männer in einer Reihe mit Sense in der Hand durchs Feld marschieren. Das stimmt mich schon wieder nachdenklich, da komme ich viel ins Grübeln. Ich will das nicht romantisieren, aber diese Truppe macht da schweißtreibende Arbeit – und irgendwann haben sie ihre Arbeitspause und setzen sich wahrscheinlich mit einem kühlen Bier unter einen Baum und quatschen miteinander. Einfachheit muss nichts Negatives sein. Landwirtschaft ist richtige Knochenarbeit, aber die kann eben auch glücklich machen. So ein Treckerfahrer mit Hörschutz auf muss allein übers Feld. Das moderne Arbeiten mit Maschinen kann eben auch sehr einsam machen. Es ist ein echter Vorteil, dass ich durch die Band immer wieder verschiedene Sachen sehe und einen neuen Blickwinkel bekomme. Wenn ich in der Stadt sitzengeblieben wäre oder auf dem Land, würde mir Vieles fehlen. Als wir das erste Mal in Mexico City waren, standen wir an einer Kreuzung, wo die Ampel auf Rot schaltete und sahen, wie Feuerspucker und Gaukler da standen und ihre Show machten. Inzwischen haben wir das auch hier bei uns, aber wir sehen eben viel in anderen Ländern und wissen ganz genau: OK, das kommt dann mit Zeitverzögerung in Deutschland an. Bei In Extremo sind wir immer noch Jungs geblieben – aber wir haben so viel erlebt und gesehen, dass es für zwei oder drei Leben reicht.